Alberto Giacometti

Alberto Giacometti (1901-1966), La Clairière (Die Waldlichtung), 1950, Bronze, 59,5 x 65,5 x 52 cm, Alberto Giacometti-Stiftung, Zürich, Dauerleihgabe im Kunstmuseum, Winterthur, © Succession Alberto Giacometti (Fondation Alberto et Annette Giacometti,, Paris + ADAGP, Paris), 2013, Photo: Kunsthaus Zürich
GIACOMETTI – Die Spielfelder
25. Januar bis 19. Mai 2013
Ab Januar 2013 ermöglicht die Hamburger Kunsthalle einen neuen Blick auf die Kunst von Alberto Giacometti (1901-1966) und macht dabei deutlich, warum das Werk des bedeutendsten Bildhauers des 20. Jahrhunderts bis heute wegweisend ist. Dafür werden erstmals überhaupt Giacomettis in Deutschland kaum bekannte surrealistische Frühwerke zusammengetragen und ihre Folgen für das berühmte Nachkriegswerk aufgezeigt: In den fragilen Unikaten aus Holz und Marmor der 1930er Jahre richtet Giacometti die Skulptur horizontal aus und entwickelt mit diesen tischbrettgroßen ‚Spielfeldern‘ das bis in die heutige Kunst reichende Konzept der ‚Skulptur als Platz‘. Die Ausstellung verfolgt diese Idee über die bekannten Sammelskulpturen der Nachkriegszeit, mit ihrer typisch überlängten Formensprache, bis hin zu Giacomettis spektakulären überlebensgroßen Skulpturen für seine Gestaltung des Vorplatzes der Chase Manhattan Bank in New York von 1960. Die teils fast drei Meter hohen Figuren bilden im Spätwerk wie in der Ausstellung den Höhepunkt der Suche nach einer idealen Platzgestaltung zwischen Kunst und Leben. Das Chase-Projekt wird in seiner monumentalen Version gezeigt, mit den weltberühmten Figuren Schreitender Mann II (1959-60), Große Stehende II (1960) und Großer Kopf (1960). Mit diesem Werkkomplex wird der Boden der Galerie der Gegenwart zur Spielfläche und die Ausstellung zum Träger des zentralen Themas der Schau, nämlich zum inszenierten Spielfeld für die Besucher selbst.
Der neuartige, themenspezifische Werküberblick legt erstmals offen, wie sehr Werk und Sockel, Präsentiertes und Präsentationsform bereits in den surrealistischen, so genannten Spielbrett-Skulpturen ineinander fallen und Giacomettis ganzes Oeuvre bestimmen. Entscheidend wird die bedeutungsvolle Positionierung der einzelnen, geheimnisvoll auf Eros, Tod und Erinnerung anspielenden Elemente. Bislang kaum bekannte Zeichnungen aus Privatsammlungen eröffnen zudem eine bisher unentdeckte, weitergehende Wahrnehmung: Giacometti zeichnet menschliche Figuren in die Spielflächen und macht deutlich, dass die Skulpturen als Modelle auf große öffentliche Platzgestaltungen verweisen. Hier sollte der Betrachter in aktivhandelnden, körperlichen Austausch mit der Kunst treten. Die tischbrettgroßen ‚Spielfelder’ sind somit als Experimentierfelder für größenmaßstäbliche, den Menschen einbeziehende Platz-Realisierungen zu verstehen. Damit nimmt Giacometti die ‚Environment’-Kunst der 1960er Jahre voraus, in denen die Umgebung zum Teil des Werkes wird.
„Der Tag wird kommen, an dem man große Dinge im Freien machen kann, jeder bekommt seine Chance, wenn er ihrer würdig ist.“ Dies prophezeite schon der Künstlervater Giovanni Giacometti 1929 seinem begabten Sohn. Tatsächlich träumt Alberto fast 40 Jahre lang davon, eine große Skulpturengruppe für einen öffentlichen Platz zu schaffen, auf dem sich Kunst und Leben treffen. Diesem Traum widmet sich nun erstmals eine Ausstellung. Tatsächlich wurde keines der frühen wie späteren Schaumodelle und der späten Platzentwürfe endgültig als öffentliche Gestaltung umgesetzt. Giacometti vergrößerte aber einzelne Elemente für sich selbst und umgab sich über Jahrzehnte damit in seinem winzigen Pariser Atelier, das „mit der Zeit immer größer wurde“ (Alberto Giacometti). Ihre bedeutungsvollen, wie in einem Gedächtnistheater arrangierten Platzierungen auf dem Atelierboden hielt er sorgsam fest. Die Ausstellung ermöglicht mit zahlreichen Gemälden, Zeichnungen und Photographien aus verschiedenen Schaffensperioden teils bisher ungesehene Einblicke in diesen außergewöhnlichen Produktions- und Präsentationsort. Denn auch das Atelier war Giacomettis ‚Spielfeld’: Es wurde zur Bühne, auf welcher der Künstler sich selbst und seine Schöpfungen inszenierte. Dieser zu Recht zum Mythos gewordene Arbeitsraum wird in seiner räumlichen Gedrängtheit und zugleich ideellen Bedeutung in der Ausstellung erstmals erlebbar.
Die groß angelegte Schau umfasst über 200 ausgewählte Werke. Darunter befinden sich 40 zum Teil bislang kaum ausgeliehene Skulpturen sowie rund 30 Ölgemälde, zudem Zeichnungen und Photo- graphien aller Werkphasen aus internationalen Museen und Privatsammlungen. Präsentiert wird so die ganze Spannweite und Aktualität von Giacomettis Kunst: Innerhalb der Formensprache von der Blockhaftigkeit zur fragilen Entmaterialisierung, innerhalb der Raumauffassung vom winzigem Produktionsort zum inszenierten Präsentationsort und innerhalb des Skulpturenbegriffs vom individuellen Objekt zum architekturbezogenen, überlebensgroßen ‚Environment’.
- Alberto Giacometti (1901-1966), L’homme qui marche (Schreitender Mann) II, 1960, Bronze, 188 x 26 x 112 cm, Privatsammlung, © Succession Alberto Giacometti, (Fondation Alberto et Annette, Giacometti, Paris + ADAGP, Paris), 2012
- Alberto Giacometti (1901-1966), Place (Platz), 1948, 6/6, Emanuel Hoffmann-Stiftung, Depositum in der Öffentlichen Kunstsammlung Basel, Bronze, 21 x 63,5 x 44 cm, © Succession Alberto Giacometti (Fondation Alberto et Annette Giacometti, Paris + ADAGP, Paris), 2012, Photo: Kunstmuseum Basel, Martin P. Bühler
- Alberto Giacometti (1901-1966) La Clairière (Die Waldlichtung), 1950 Bronze, 59,5 x 65,5 x 52 cm Alberto Giacometti-Stiftung, Zürich, Dauerleihgabe im Kunstmuseum, Winterthur, © Succession Alberto Giacometti (Fondation Alberto et Annette Giacometti,, Paris + ADAGP, Paris), 2013, Photo: Kunsthaus Zürich
- Alberto Giacometti (1901-1966), Grand tête (Großer Kopf), 1960, Bronze, 4,6 x 30,9 x 34,7 cm, Fondation Beyeler, Riehen/Basel, Sammlung Ernst und Hildy Beyeler., © Succession Alberto Giacometti (Fondation Alberto et Annette Giacometti, Paris + ADAGP, Paris), 2013, Photo: Robert Bayer
- Alberto Giacometti (1901-1966), Groupe de trois figurines – Projet pour Chase Manhattan Plaza (aus der Gruppe von drei kleinen Figuren – Projekt für Chase Manhattan Plaza), 1959. Bronze, Höhen: 5,9 cm, 10,5 cm, 7,2 cm, Privatsammlung, Schweiz, Alberto Giacometti-Stiftung, Zürich, Geschenk von James Lord © Succession Alberto Giacometti (Fondation Alberto et Annette Giacometti, Paris + ADAGP, Paris), 2013, Photo: Kunsthaus Zürich
- Alberto Giacometti (1901-1966), Main prise (Gefährdete Hand) , 1932, Holz und Metall, 20 x 59,5 x 27 cm, Kunsthaus Zürich, Alberto Giacometti-Stiftung, Zürich, © Succession Alberto Giacometti (Fondation Alberto et Annette Giacometti,, Paris + ADAGP, Paris), 2013, Photo: Kunsthaus Zürich
- Projet pour une place (Modell für einen Platz),1931-32, Holz, 19,4 x 31,4 x 22,5 cm, Peggy Guggenheim Collection, Venedig (The Solomon R. Guggenheim Foundation), © Succession Alberto Giacometti (Fondation, Alberto et Annette Giacometti, Paris + ADAGP,, Paris), 2012, Photo: Sergio Martucci
- Alberto Giacometti (1901-1966), Trois têtes de plâtre (Drei Köpfe aus Gips), um 1950, Öl auf Leinwand, 73 x 59,5 cm, Kunsthaus Zürich, Alberto Giacometti-Stiftung, Zürich, © Succession Alberto Giacometti (Fondation Alberto et Annette Giacometti,, Paris + ADAGP, Paris), 2012, Photo: Kunsthaus Zürich
- Robert Doisneau (1912-1994), Alberto Giacometti in seinem Atelier, Rue Hippolyte-Maindron, Paris, 1957, Photographie, späterer Abzug, 24 x 31 cm, Sammlung Fotostiftung Schweiz, Winterthur, © Succession Alberto Giacometti (Fondation Alberto et Annette Giacometti, Paris + ADAGP, Paris), 2012, © Robert Doisneau, Gamma-Rapho via Getty Images
- George Brassaï (1899-1984), Das Atelier von Giacometti, Photographie, abgebildet in der Zeitschrift Minotaure, Nr. 3-4, Dezember 1933, © Succession Alberto Giacometti (Fondation Alberto et Annette Giacometti, Paris + ADAGP, Paris), 2012, © Estate Brassaï – RMN – GP Photo Agency
- Jacques-André Boiffard (1902-1961), Alberto Giacometti, 1931, Photographie, späterer Abzug, 21 x 29 cm, Sammlung Fotostiftung Schweiz, Winterthur © Jacques-André Boiffard / Sammlung, Fotostiftung Schweiz, Winterthur, © Alberto Giacometti Estate (Fondation, Alberto et Annette Giacometti,, Paris) 2012
Weitere Informationen:
Es erscheint ein umfangreicher wissenschaftlicher Katalog (29 €) auf Deutsch und später Spanisch,
der exklusiv in den Museumsshops und unter www.freunde-der-kunsthalle.de erhältlich sein wird.